Teil 1: Die funktionale Definition des Passivhauses
Kurzbeschreibung: Die Geschichte des Passivhauses wird beschrieben: Das Passivhaus entstand aus der Idee, ein Haus mit der rein hygienisch erforderlichen Zuluft zu beheizen, um Kosten für ein "aktives" Heizsystem zu sparen. Mit herkömmlicher Dämmung der Gebäudehülle kann man eine Untergrenze von ca. 40 kWh/m2 a nicht unterschreiten, es braucht zusätzlich eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die heute, gemäß Passivhausinstitut gültige funktionale Definition des Passivhauses wird im Wortlaut angeführt. Was ist ein Passivhaus?
Eine Serie in vier Teilen. Teil 1: Die funktionale Definition des Passivhauses
Man könnte meinen, es sei nicht mehr notwendig, zu definieren, was ein Passivhaus eigentlich ist, da heutzutage ohnehin schon alle Häuser mit sehr niedrigem Energiebedarf geplant werden. Gemäß dem Motto: "Bau' ein gutes Niedrigenergiehaus, da ist kein großer Unterschied mehr zu einem Passivhaus."
Diese Betrachtung ist viel zu oberflächlich, da der Ausdruck "ein gutes Niedrigenergiehaus" allen möglichen Interpretationen Tür und Tor öffnet. Schon viel besser definiert ist da die auch ausreichend verbreitete Gebäudekategorie "A++", wie die derzeit energieeffizienteste Kategorie im österreichischen Energieausweis genannt wird. Sie lässt einen errechneten Heizwärmebedarf von max. 10 kWh/m2 Bruttogrundfläche und Jahr gemäß der österreichischen Energieausweisnormenserie zu.
Diese Kategorie kommt dem Passivhaus bezüglich der Energieeffizienz nahe und basiert auf einer Ö-Norm, sie findet also in der Praxis Beachtung, zumindest bei Planern.
Wir wollen unsere Aufmerksamkeit hier dennoch ausschließlich dem "Passivhaus" widmen, das als Begriff ungleich breiter als die junge Gebäudekategorie A++ etabliert ist. Es sieht überdies sehr danach aus, dass das Passivhaus auch weiterhin der richtungsweisende Standard für eine möglichst hohe Energieeffizienz im Gebäudesektor bleiben wird.
Zunächst blicken wir etwas zurück in die Geschichte.
Wie kam es eigentlich zur Entwicklung des Passivhauses?
Die Geschichte des Passivhauses beginnt auf der Suche nach einem wirtschaftlichen Optimum auf dem Weg vom Niedrigenergiehaus zum Nullheizenergiehaus. Dazu der Architekt Georg Reinberg:
Arch. Georg Reinberg:
Es ist ganz gut, wenn man sich die Geschichte anschaut, wie man sich das verständlich machen kann. 15 kWh pro m2a ist ja zunächst ein willkürlicher Wert und eigentlich unverständlich.
Nein, das ist nicht willkürlich festgesetzt, das ist entstanden.
In der 80er, 90er Jahren hat man sich überlegt, wie kann man die Kosten senken. Je weiter man dem Nullenergiehaus kommt, umso teurer wird es.
Wenn man unter 40-50 kWh/m2a Heizenergiebedarf geht, dann ist das nicht mehr machbar ohne Lüftungswärmerückgewinnung. Dann wird der Anteil am Gesamtenergiebedarf des Luftwechsels sehr hoch.
Deswegen braucht man eine Lüftungswärmerückgewinnungsanlage, um unter diesen Wert zu kommen.
Das ist die Grundidee des Passivhauses aus meiner Sicht, zu sagen, wärs nicht auch möglich, mit der Lüftungsanlage, mit der Luft, das Gebäude zu heizen.
Halten wir also nochmal fest:
Um Gebäude mit sehr niedrigem Heizenergiebedarf zu realisieren, reicht es nicht aus, die Transmissionswärmeverluste zu minimieren, sprich hochwärmedämmend und mit hoher Luftdichtheit zu bauen, es müssen dann auch die Lüftungswärmeverluste reduziert werden. Dazu wird die Wärme aus der Abluft an die Zuluft bei einem möglichst hohen Wirkungsgrad mit Hilfe eines Wärmetauschers in einem Lüftungsgerät übertragen. Wenn nun ohnehin eine Lüftungswärmerückgewinnung mit Hilfe einer Lüftungsanlage realisiert werden soll, liegt die Frage nahe, ob und wie nicht auch mit der eingebrachten Luftmenge ein Gebäude beheizt werden könnte, um sich dadurch ein herkömmliches Heizsystem zu sparen und damit relativ wirtschaftlich bauen zu können. Diese Frage war leitend für die Entwicklung des Passivhauskonzepts.
Wie schwierig ist es also, mit der Zuluft bzw. Frischluft ein Gebäude zu heizen? Dazu weiter Georg Reinberg:
Arch. Georg Reinberg:
Das geht aber sehr schwer, weil die Luft ist ein Wärmedämmmaterial. Mit einem Wärmedämmmaterial zu heizen, ist nicht so einfach. Die Energie, die ich über die Luft einbringen kann ist, ist begrenzt, erstens wenn man die Temperatur limitiert auf 50, 55 Grad aus Komfortgründen. Zweitens indem man keinen höheren Luftwechsel hat als hygienisch erforderlich ist.
Mit Luft kann man schon heizen wie in den USA. Mit hoher Temperatur bei einem vielfachen Luftwechsel, da geht das. Bei begrenzter Luftmenge und Temperatur ist es wenig Luft und Energie, die ich einbringen kann.
Wie viel Energie kann ich mit dieser Lüftungsanlage einbringen?
Nicht mehr als 10 W/m2.
Das war das ursprünglich wichtigste Kriterium im Passivhaus. Nicht mehr Heizlast als 10 Watt, das ist das Passivhaus.
Und aus diesen 10 Watt Heizlast hat sich ergeben ein durchschnittliches Limit von 15 kWh Heizenergiebedarf pro m2 Nettonutzfläche pro Jahr.
Das Kriterium der maximalen Heizlast von 10 Watt pro m2 ergibt sich also aus der Anforderung, dass das Passivhaus rein "frischluftbeheizbar" sein soll.
Eine Heizlast von 10 Watt pro m2 ist ein sehr geringer Wert, der aufgrund seines trocken-technischen Charakters für sich bei einem Bauherren, der sich nicht ohnehin beruflich mit dem Thema beschäftigt, keine besonders begeisternde Wirkung entfaltet. Die praktische Bedeutung dieses aus heiztechnischer Sicht extrem niedrigen Wertes zu vermitteln, ist eine Schwierigkeit, mit der die Promotoren des Passivhauses zu kämpfen hatten und haben. Bekannt sind die Versuche, die niedrige Heizlast über wärmeabgebende Gegenstände des Alltags anschaulich zu machen, z. B., dass eine Heizlast von 10 Watt pro m2 in einem 100 m2 Gebäude, also eine Gesamtheizlast von 1000 Watt, mit 10 Teelichtern oder einem Haarfön abgedeckt werden könnte.
Fazit: Ein Passivhaus ist ein Haus, das so gebaut ist, dass es grundsätzlich mit erwärmter Außenluft, deren Menge dem hygienischen Luftwechsel entspricht, beheizbar ist.
Dies wird auch gerne als "rein funktionale" Definition des Passivhauses bezeichnet.
Die genaue funktionale Definition, die der Wissensplattform www.passipedia.de entnommen ist, lautet folgendermaßen:
"Ein Passivhaus ist ein Gebäude, in welchem die thermische Behaglichkeit allein durch Nachheizen oder Nachkühlen des Frischluftvolumenstroms, der für ausreichende Luftqualität erforderlich ist, gewährleistet werden kann - ohne dazu zusätzlich Umluft zu verwenden."
"Frischluft" ist kein üblicher technischer Begriff im Zusammenhang mit raumlufttechnischen Anlagen , vielmehr werden die Begriffe Außenluft und Zuluft verwendet, die eindeutiger sind. Aber der Begriff der Frischluft bzw. der Frischluftbeheizbarkeit ist erfahrungsgemäß Dritten, technisch nicht einschlägig Vorinformierten gegenüber gut geeignet, auszudrücken, worum es geht. Wenn im folgenden also von Frischluft die Rede ist, handelt es sich um erwärmte Außenluft, die als Zuluft den Räumen zugeführt wird, wobei die Luftmenge dem hygienischen Luftwechsel entspricht.
Teil 2: Die funktionalen Passivhauskriterien im Detail
Kurzbeschreibung: Das Kriterium der maximalen spezifischen Heizlast von 10 W/m2 wird numerisch hergeleitet. Fazit: Eine reine Frischluftheizung kann maximal 300 Watt pro Person bereitstellen. Es wird betont, das heute sowohl das 15 kWh/m2 a als auch das 10 W/m2 Heizlastkriterium für die Qualifikation als Passivhaus hinreichend sind (aus den UND-Kriterien der Anfangsjahre des Passivhauses sind heute ODER-Kriterien geworden). Beispiele für mögliche Bandbreiten in bezug auf die beiden Kriterien in real gebauten Beispielen werden gegeben. Besonderes Augenmerk verdient das Kriterium der 10 Watt pro m2 hingegen nach wie vor, wenn das Gebäude haustechnisch tatsächlich mit einer reinen Frischluftheizung versorgt werden soll (in Österreich bei Passivhaus-Neubauten kaum mehr der Fall). Was ist ein Passivhaus? - Teil 2: Die funktionalen Passivhauskriterien im Detail
Wie kommt man nun auf diese Grenze einer maximalen Heizlast von 10 Watt pro m2 Nutzfläche?
In der Passivhaus Wissensdatenbank passipedia.de ist das im Abschnitt "Hier rechnen wir die "Passivhausbedingung" vor" erklärt.
Nach DIN 1946 ist aus hygienischen Gründen 30 m3 pro Stunde Mindest-Frischluft-Volumenstrom für eine Person erforderlich. Luft hat eine Wärmekapazität bei Normaldruck und etwa 21°C von 0,33 Wattstunden pro m3 und Kelvin. Erwärmen kann man die Frischluft auf maximal knapp über 50 °C , weil sonst Staubverschwelung eintritt.
Wie viel Wärme kann also in einer Stunde über die Frischluft eingebracht werden, wenn der Mindest-Frischluft-Volumenstrom für eine Person auf 50 Grad Celsius erwärmt wird?
Luft kann den Raum nur heizen, sofern sie wärmer als die Raumluft ist. Das mag trivial klingen, aber der Unterschied ist rechnerisch zu berücksichtigen. Nur die Differenz zur Raumlufttemperatur steht als Heizwärme zur Verfügung. Diese Differenz beträgt bei einer Raumtemperatur von 20 Grad unf einer Lufttemperatur von 50 Grad 30 Grad.
Um 1 m3 Luft um ein Grad zu erwärmen, muss diesem Luftvolumen 0,33 Wh an Wärme zugeführt werden, die anschließend, falls eine Temperaturdifferenz zur Umgebung vorliegt, an die Umgebung wieder abgegeben wird.
Um also zu berechnen, wieviel Wärme notwendig ist, um ein Luftvolumen von 30 m3 von einer angenommenen Umgebungstemperatur von 20 Grad Celsius auf 50 Grad zu erwärmen, muss dieses Luftvolumen mit der spezifischen Wärmekapazität der Luft von 0,33 Wattstunden pro m3 Kelvin und der Temperaturdifferenz von 30 Grad multipliziert werden.
Das ergibt 300 Wattstunden, die pro Stunde bei einem Mindest-Frischluft-Volumenstrom von 30 m3 eingebracht werden können, also 300 Wattstunden pro Stunde, oder in Leistung ausgedrückt 300 Watt.
300 Watt pro Person kann also eine Frischluftheizung bereitstellen. Wenn man nun 30 m2 Wohnfläche je Person unterstellt, ergeben sich 10 W/m2 Wohn- bzw. Nutzfläche. Dieser Wert ist unabhängig vom Klima. Die 10 Watt pro m2 beziehen sich auf den Tag mit der jeweils höchsten Heizleistung, den Heizlastfall.
Von dieser Heizlastkenngröße (Leistung in Watt) sind die Energiekenngrößen (Arbeit im physikalischen Sinn, in kWh) zu unterscheiden. Für Mitteleuropa ergeben sich nach Erfahrung und Berechnung mit Simulationsprogrammen in etwa die oft verwendeten 15 kWh pro m2 und Jahr für den Heizwärmebedarf - aber eben nur "in etwa". In Stockholm können es 20 sein, in Rom eher 10 kWh pro m2 und Jahr.
Arch. Georg Reinberg:
Mit der Zeit hat man aber relativ viele Passivhäuser nicht nur mit Luft beheizt, sondern auch eine Heizung eingebaut. Und das zweite war, das Wertvolle ist eigentlich der niedrige Energieverbrauch, die 15 kWh pro m2 und Jahr.
Wir haben auch Beispiele gebaut, Solarhäuser, die eine höhere Heizlast haben, fallweise 15, 20 W/m2, aber im Jahresergebnis weniger als 15 kWh/m2 a. Das ist möglich durch sehr hohe passive solare Gewinne.
Und dann hat man gesagt, es ist unsinnig zu sagen, so ein Gebäude wäre kein Passivhaus, obwohl der Heizwärmebedarf ja kleiner als 15 kWh/m2a ist. Der niedrige Energieverbrauch ist ja der wirkliche Wert.
Und man hat vor 3, 4 Jahren diese 10 Watt aufgegeben, aber die 15 KWh/m2a muss man einhalten, und dann wird es verständlich, warum diese 15 kWh/m2a.
Genau genommen ist es so, dass das 10 Watt pro m2 Kriterium für die Heizlast nicht aufgegeben wurde, aber aus einem UND-Kriterium (d.h. ein Passivhaus muss eine Heizlast von maximal 10 W/m2 UND einen Heizwärmebedarf von maximal 15 kWh/m2a, beides bezogen auf die Nutzfläche, einhalten) wurde ein ODER-Kriterium:
Der Heizwärmebedarf liegt im Passivhaus unter 15 kWh/(m2 a) (bezogen auf die Wohnnutzfläche) - oder die Heizlast liegt unter 10 W/m2.
Dazu Wolfgang Feist, der Begründer des Passivhauskonzepts:
Univ. Prof. Dr. Wolfgang Feist:
Das funktionale Kriterium ist übrigens allgemeiner gefasst. Es sagt nicht, die Frischluftheizung ist notwendigerweise das System, das verwendet werden muss.
Wir wollen, dass das Passivhaus in jeder Form beheizbar ist, egal welches System Sie verwenden wollen. Alle Systeme funktionieren, damit unter anderem auch die Frischluftheizung.
Über die Frischluftheizung bekomme ich eine klare Grenze. Klare Grenze dessen, was transportiert werden kann über noch erlaubte Luftmenge.
Auch wenn ich Wärme über anderen Weg zuführe, steigt der Aufwand, wenn ich mehr Wärme zuführen muss.
Aus dem Grund ziehen wir dieses Prinzip als Leitprinzip für die Bestimmung der Grenzen heran. Die bereits benannten 10 W/m2 oder 15 kWh pro m2 und a hier in unseren Breiten.
Die sind übrigens nicht identisch, die Werte, sondern werden von uns bewusst als Oder-Kriterien verwendet. Im Sinne von, wenn ich eines von beiden erreiche, zeigen unsere Erfahrungen, halte ich die Kriterien insoweit ein, dass dann wirklich alles funktioniert.
Und zwar unabhängig davon, ob der Nutzer eventuell doch 23 Grad will, es funktioniert dann auch noch. Das muss ich nicht mehr im einzelnen überprüfen, das wissen wir, dass das dann noch funktioniert. Gegebenenfalls mit den aber haushaltsüblichen Hilfsmitteln. Und deswegen sind die Kriterien so bemessen, um Planung und Finanzierung einfach zu halten.
Zum hinter die Kulissen Schauen bzw. Was also jetzt, die 15 kWh oder die 10 Watt? Warum früher beides und jetzt "entweder oder"? Dazu noch einmal die wichtigsten Argumente zusammengefasst.
Ausgangspunkt waren ganz klar die 10 Watt pro m2, also der ingenieurtechnisch ambitionierte und mitreißende Gedanke, ein Gebäude ausschließlich mit der hygienisch erforderlichen Frischluft zu beheizen. Das hat auch real funktioniert: Man erhielt Gebäude, die das schafften. Es zeigte sich überdies, dass diese Gebäude im Mittel in Mitteleuropa einen spezifischen Heizwärmeverbrauch von etwa 15 kWh/m2a aufweisen, einen bis dahin unvorstellbar extrem niedrigen Energieverbrauch also. Und bei aller ursprünglicher Begeisterung für die Frischluftheizung - das war es ja, worum es einem Bauherren bzw, in gesamtgesellschaftlicher Sicht eigentlich geht: Wenig Energie zu verbrauchen. Dass man das Gebäude mit der hygienisch erforderlichen Luftmenge beheizen kann, ist unter diesem Blickwinkel nicht besonders interessant, sondern könnte, hinterher schlauer geworden sozusagen, als ingenieurtechnische Spielerei angesehen werden.
Könnte man daher, vom Podest der langjährigen Erfahrungen mit rein frischluftbeheizten Passivhäusern aus, nicht vielmehr direkt diese Zahl, also den Heizwärmebedarf von 15 kWh/m2/a als Kriterium für ein Passivhaus heranziehen? Kann man, sagt die Erfahrung.
Man erhält mit diesem Kriterium alleine ein Gebäudeensemble, das einen mittleren Energieverbrauch aufweist, wie wenn man alle Gebäude mit der Forderung nach den max. 10 Watt pro m2 gebaut hätte, oder mit der Forderung, sogar beide beide Kriterien gleichzeitig zu erfüllen, wie das in der früheren Phase der Passivhausdefinition gefordert worden war.
10 Watt oder 15 kWh, das eine oder das andere erfüllen oder beides - in der Praxis stellt sich das als "Streit um des Kaisers Bart" heraus. Es hat keine messbar relevante Auswirkung auf den Energieverbrauch der real gebauten Gebäude. Dass übrigens als Grundvoraussetzung alle Gebäude thermisch behaglich sind, versteht sich von selbst. Aufgrund dieser Praxiserfahrung stellte das Passivhausinstitut summa summarum aus heutiger Sicht die 10 Watt und die 15 kWh mittlerweile als gleichwertige Kriterien für ein Passivhaus dar.
Besonderes Augenmerk verdient das Kriterium der 10 Watt pro m2 dann, wenn haustechnisch tatsächlich eine reine Frischluftheizung geplant wird.
Generell geht aber der Trend, das ist jedenfalls in Österreich klar zu beobachten, dahin, dass Passivhäuser nicht über die Zuluft beheizt werden, selbst wenn das 10 Watt Heizlastkriterium erfüllt wird und eine reine Frischbeluftheizung also technisch möglich wäre. Insbesondere Planer von Komfortlüftungsanlagen weisen darauf hin, dass es sinnvoll ist, die Heizung von der Lüftung zu trennen - dadurch kann die eingebrachte Luftmenge optimal dem von der Personenbelegung abhängigen Bedarf angepasst werden, unabhängig von einer Anforderung, die aus der momentan benötigten Heizleistung resultiert.
Teil 3: Die weiteren Passivhauskriterien
Kurzbeschreibung: Besprochen werden zwei weitere Musskriterien des Passivhauses, der maximale flächenspezifische Primärenergiebedarf (120 kWh/m2 a) sowie die Luftdichtheit (n50-Wert von max. 0,6). Was ist ein Passivhaus? - Teil 3: Die weiteren Passivhauskriterien
Die Definition des Passivhauses geht über eine reine Fokussierung auf einen minimalen Heizenergiebedarf hinaus, für die gesamtgesellschaftliche Bedeutung ist der gesamte Energieverbrauch eines Gebäudes entscheidend. Es wäre ja kontraproduktiv, wenn ein sehr niedriger Heizenergieverbrauch einem hohen Verbrauch für Haushalts- und andere Anwendungen gegenüberstünde.
In der Passivhausdefinition gibt es also ein Kriterium, das den (sogenannten) Primärenergiebedarf bereits in der Planung eines Passivhauses limitiert.
Bei der Berechnung des Primärenergiebedarfs wird die dem Gebäude vorgelagerte Lieferkette an Energie mitberücksichtigt. Hier ist vor allem die Stromerzeugung in kalorischen Kraftwerken zu nennen, die geringe Wirkungsgrade bzw. hohe Emissionen hat.
Dazu Wolfgang Feist:
Univ. Prof. Dr. Wolfgang Feist:
Die 120 kWh/m2a Primärenergiebedarf, warum haben wir überhaupt ein solches Primärenergiekriterium?
Es macht ja keinen Sinn, einen großen Backofen zu bauen und eine Hülle drumherum, da brauch ich ja überhaupt keine Heizung mehr.
Wir müssen den Energiebedarf auch für die anderen Anwendungen deckeln. Die 120 kWh/m2a orientieren sich am normalen (durchschnittlichen) Haushaltsstromverbrauch. So gesehen ist in einem Passivhaus der Energiebedarf für Warmwasserbereitung und Heizung rechnerisch auf einen sehr geringen Wert gebracht. Und ich schaffe diesen Wert nur, wenn man auch etwas für die Effizienz der Haushaltsanwendungen tut.
Eine sehr hilfreiche Internetseite für die Auswahl von energieeffizienten Haushaltsgeräten ist übrigens topprodukte.at.
Da sich unser Energiesystem in Richtung eines höheren Anteils erneuerbarer Quellen ändert, wird das auch einen Einfluss auf dieses Primärenergiekriterium haben. Für die Zukunft wird daher eine Abwandlung dieses Kriteriums überlegt.
Univ. Prof. Dr. Wolfgang Feist:
Dieser Wert orientiert sich an den heute verwendeten Primärenergiefaktoren. Wieviel Primärenergie brauche ich für eine kWh Strom? In der Regel kommt der Strom heute aus fossilen Kraftwerken, welche in der Regel schlechte Wirkungsgrade haben. Dadurch hoher Primärenergiefaktor für fossile Energie.
Für erneuerbare Energien sind diese Primärenergiefaktoren in der Regel kleiner. In der Übereinkunft ist es heute so, dass die Beiträge der erneuerbaren Energien gar nicht zum (nicht-erneuerbaren) Primärenergiefaktor dazugezählt werden.
Das hat zur Folge, dass sich der Primärenergiefaktor in nächster Zeit ständig verändern wird, weil da hoffentlich immer mehr erneuerbare Energie ins System kommt. Damit nimmt dieser Primärenergiefaktor immer mehr ab und eignet sich damit immer weniger für die Bewertung der Effizienz des Gebäudes, weshalb wir an dieser Stelle zu einem Neuvorschlag kommen.
Der Weg, den wir gehen werden ist der - wir bilden das Gebäude in Erneuerbare-Energien Struktur ab.
Neben den bereits beschriebenen funktionalen Kriterien (maximaler Heizwärmebedarf, maximale Heizlast, maximaler Primärenergiebedarf) gibt es für die Definition eines Passivhauses noch ein bauteilbezogenes Kriterium. Dieses bezieht sich auf die Luftdichtheit.
Dazu Wolfgang Feist:
Univ. Prof. Dr. Wolfgang Feist:
Wir haben ja das Passivhaus generell anhand von funktionalen Kriterien definiert (die 10 W/m2 oder die 15 kWh/m2a). Wir vermeiden spezifische technologische Anforderungen, wir sagen nicht: Du musst eine Drei-Scheibenverglasung wählen, etc.
Davon gibt es nur eine einzige Ausnahme, ein einziges konkretes bauteilbezogenes Kriterium ist die Anforderung an die Luftdichtheit. Wir fordern, dass in einem Drucktest für ein Gebäude der 0,6-fache Wert für den Luftaustausch bei 50 Pascal Differenzdruck eingehalten wird. Das ist eine einfach zu messende Größe, sie ist im Zuge einer Qualitätssicherung des Gebäudes leicht überprüfbar. Die Werte sind im übrigen auch mit der heutigen Baupraxis sehr gut zu erreichen, obwohl es regelmäßig so ist, wenn Leute das das erste Mal machen, finden sie es schwierig und anstrengend, aber man lernt das, und man kommt in der Regel beim dritten, vierten, fünften Projekt auf Werte von ca. 0,3.
Die Anforderung bei 0,6 ist so gewählt, dass, wenn ich diesen Wert einhalte, mit Sicherheit kein infiltrations- oder exfiltrationsseitiges Problem bekomme. Ich kann dann ausschließen, dass ich luftströmungsbedingte Kondensateffekte in den Wänden habe, dass ich unkontrollierte Luftströme irgendwo habe, dass ich irgendwo Zugluft bekomme unkontrollierbar.
Bei den erwähnten Luftdichtheitswerten von 0,6 und 0,3 eines Gebäudes handelt es sich um sogenannte n50-Werte, Ergebnisse des Luftdichtheitstests. Die Einheit ist "pro Stunde". Für Details zu diesem Thema weisen wir auf den Audiobeitrag zu Luftdichtheit hin.
Teil 4: Zusammenfassung
Was ist ein Passivhaus? - Teil 4: Zusammenfassung
Die wichtigsten Punkte zum Thema "Was ist ein Passivhaus" nochmal zusammengefasst:
Das Passivhaus ist aus der Grundüberlegung entstanden, dass es irgendwo auf dem Weg vom Niedrigenergiehaus zum Nullheizenergiehaus ein ökonomisches Optimum gibt.
Da eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung für einen sehr niedrigen Heizenergiebedarf und für eine hohe Luftqualität bei sehr luftdichten Gebäuden ohnehin notwendig ist, liegt die Überlegung nahe, zu untersuchen, ob es möglich wäre, allein über die hygienisch erforderliche Zuluft bzw. Frischluft zu heizen.
Von daher stammt das Kriterium der Frischluftbeheizbarkeit, das technisch umgelegt sich in einer Heizlast von maximal 10 Watt pro m2 ausdrückt.
Ausgehend von dieser flächenspezifischen Heizlast von max. 10 Watt pro m2 lässt sich auch das Kriterium eines maximalen flächenbezogenen Heizwärmebedarfs von 15 kWh/m2a bei mitteleuropäischen klimatischen Bedingungen ableiten.
Mittlerweile wurde aber das Kriterium der Frischluftbeheizbarkeit insofern modifiziert, als auch Gebäude mit einer Heizlast von über 10 W/m2 als Passivhaus zertifiziert werden können, wenn sie einen Heizwärmebedarf von kleiner 15 kWh/m2a aufweisen.
Beispiele für derartige Gebäude sind Gebäude, die auf sehr hohe passiv solare Gewinne hin ausgelegt sind. Derartige Gebäude haben dann, wenn keine Sonne scheint, aufgrund der großen Fensterflächen höhere thermische Verluste und damit eine höhere Heizlast, können aber über die gesamte Heizperiode aufgrund der hohen solar-passiven Gewinne dennoch einen Heizwärmebedarf von kleiner 15 kWh/m2a erreichen.
In der Baupraxis hat sich die Bedeutung der reinen Frischluftheizung in Passivhäusern in Österreich deutlich relativiert. Ein Passivhaus ist zwar in der Regel frischluftbeheizbar, und diese Überlegung war auch der Ausgangspunkt für die Entwicklung des Passivhauskonzepts. Die meisten Passivhäuser, zumindest die in jüngerer Zeit errichteten, werden aber mit anderen Heizsystemen beheizt, welche aber im Vergleich zu konventionellen wassergeführten Heizungen minimal dimensioniert und daher relativ kostengünstig ausgeführt werden können.
Hinsichtlich der Optionen zur Beheizung von Passivhäusern möchten wir auch auf den Audiobeitrag "Ein Passivhaus wird beheizt" hinweisen.
Das Passivhaus ist nach wie vor der Topstandard für Gebäude mit niedrigem Heizwärmebedarf. Mit anderen Worten: Es gibt nichts Besseres in dieser Hinsicht, was man heute qualitätsgesichert und breit erprobt bestellen könnte.
Eine Weiterentwicklung des Passivhauses ist das sogenannte Plusenergiehaus, bei dem über am Gebäude erzeugte erneuerbare Energie, klassischerweise über Photovoltaik und/oder Solarthermie, über das Jahr gesehen mehr Energie erzeugt als verbraucht werden soll.
Das Passivhauskonzept bleibt aber nicht beim Fokus auf den Heizwärmebedarf stehen, mit dem Kriterium eines maximalen Primärenergiebedarfs integriert es auch eine Bewertung der Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes.
Neben den funktionalen Kriterien gibt es auch ein einziges bauteilbezogenes Kriterium, welches das Passivhaus definiert, nämlich hinsichtlich der Luftdichtheit des gesamten Gebäudes.
Die Passivhauskriterien kurz zusammengefasst:
Der Heizwärmebedarf liegt im Passivhaus unter 15 kWh/(m2 a) (bezogen auf die Wohnfläche) - oder die Heizlast liegt unter 10 W/m2
Der Primärenergiebedarf überschreitet 120 kWh/(m2 a) nicht.
Die Luftdichtheit erreicht einen n50-Wert von maximal 0,6/h.
Zum Schluss noch ein Hinweis:
Wollen Sie ein real bewohntes Passivhaus besuchen, so haben Sie jedes Jahr ganz organisiert und öffentlich Gelegenheit dazu. Jedes Jahr gibt es im November in ganz Österreich die Möglichkeit, bei aufgeschlossenen Passivhausbesitzern am "Tag des Passivhauses" über die Schwelle zu treten, ihr Passivhaus zu erfühlen und Erfahrungen der BewohnerInnen zu erfragen. Infos dazu auf www.innovativegebaeude.at.
Für einen oder mehrere Tage Probewohnen in einem Passivhaus können Sie gegen eine Tagesmiete im Ort Großschönau im Waldviertel. Infos unter www.probewohnen.at.
Hilfreiche Quellen
Classic, Plus, Premium: Die neuen Passivhaus-Klassen und wie sie erreicht werden können 2016 Literatur, Websites etc.
. In der Passivhaus Wissensdatenbank passipedia.de ist das funktionale Kriterium des Passivhauses, also die ursprüngliche Passivhausdefinition, im Abschnitt Hier rechnen wir die Passivhausbedingung"vor“ erklärt.
Passivhaus-Altbau 2016 Was ist ein Passivhaus? 2016 topprodukte.at o.D. topprodukte.at o.D. WWWInnovativegebaeudeAt
Passivhaus-Probewohnen im Waldviertel (Sonnenplatz Großschönau) o.D. "
Links zu verwandten Videofiles
- Das Passivhaus in der Praxis - Teil 1: Definition Passivhaus https://vimeo.com/clipit/oebavortragteil1definitionpassivhaus Länge: 10.14 Min.
- Das Passivhaus in der Praxis - Teil 2: Passivhaus Hauptkomponenten https://vimeo.com/clipit/oebavortragteil2passivhaushauptkomponenten Länge: 9.32 Min.