Teil 1: Wie funktioniert Thermographie? Einsatzzwecke und Sinnhaftigkeit der Außenthermographie
Kurzbeschreibung: Eine Außenthermographie wird insbesondere in der Sanierung oft unnötig angewandt. Aus einer rein visuellen Bestandsanalyse vor Ort und der Kenntnis des Gebäudealters ist fast immer ohnehin leicht ersichtlich, welche thermischen Schwachstellen das Gebäude aufweist bzw. was zu tun ist. Eine Außenthermographie hat daher oft nur einen psychologischen Effekt im Sinne von: "Das haben wir also mal durchgemessen und visualisiert." Technisch sinnvolle Einsatzzwecke der Außenthermographie werden aufgelistet, diese Anwendungsfälle sind aber eher selten. Sinn und Unsinn von Außenthermographie
Eine Serie in zwei Teilen.
Teil 1: Wie funktioniert Thermographie? Einsatzzwecke und Sinnhaftigkeit der Außenthermographie
Thermographie, wie wir sie am häufigsten aus der Werbung bzw. von Marketingaktionen kennen, das ist die Außenthermographie, also ein Gebäude thermographisch von außen aufgenommen.
Aber was kann Außenthermographie bezüglich der Zielsetzung einer effektiven thermischen Sanierung tatsächlich leisten?
Wo sind sinnvolle Einsatzzwecke von Außenthermographie, und wo sind sinnvolle Einsatzzwecke von Innenthermographie?
Mit diesen Fragen wollen wir uns in diesem Beitrag beschäftigen.
Als Ergänzung zu diesem Beitrag möchten wir auf das File "Thermographie - Basics" hinweisen, das sich den Grundlagen der Thermographie genauer widmet.
Wie funktioniert Thermographie?
Das menschliche Auge nimmt nur in einem gewissen Spektrum elektromagnetische Strahlung wahr. Wärmestrahlung sehen, also jene Strahlung wahrnehmen, die wir als langwellig bzw. tieffrequent bezeichnen, kurz als "infrarot", also unterhalb jener von uns als rot gesehenen Farbe: Das können unter den Lebewesen nur einige wenige, z. B. Schlangen. Sie können damit ihre Beute besser wahrnehmen. Wärmestrahlung optisch aufzulösen, war für uns Menschen evolutionär einfach nicht wichtig.
Aber seit einigen Jahrzehnten brauchen wir diese Fähigkeit doch - mit dem technischen Hilfsmittel der Thermographie wird das Sichtbarmachen der Infrarotstrahlung möglich.
Grundsätzlich braucht man für die Aufnahme der Wärmestrahlung ein strahlungsempfindliches Material. Bei der Thermographie werden z. B. Elemente verwendet, die, wenn sie ihre Temperatur ändern, auch ihren elektrischen Widerstand ändern.
Eine Fotoplatte aus kleinsten solchen Elementen funktioniert ansonsten vom optischen Prinzip her genauso wie ein Schwarz-Weiß-Fotoapparat. Ist das Objektiv einmal scharf eingestellt, misst die Platte die pro Raumwinkel auf die Aufnahmeplatte pro Zeiteinheit eingestrahlte elektromagnetische Energie, also die Strahlungsleistung aus dem jeweiligen Raumwinkel.
Diese Verteilung der Einstrahlungsleistung wird so umgerechnet, dass diese Energieverteilung graphisch als Temperaturverteilung dargestellt werden kann.
Diese graphische Darstellung der Temperaturverteilung wird auch als Thermogramm bezeichnet.
Außenthermographie und Gebäudesanierung
Ein Gebäude soll thermisch saniert werden.
Kann eine außenthermographische Aufnahme eines Gebäudes vor der Sanierung diesbezüglich eine sinnvolle Hilfestellung leisten?
Der zertifizierte Thermograph Emanuel Panic sieht den Nettonutzen einer Außenthermographie in bezug auf eine geplante Sanierung sehr kritisch.
Emanuel Panic:
Eine Außenthermographie vor einer thermischen Sanierung ist in den meisten Fällen also aus rein technischer Sicht überflüssig, sofern man einen kompetenten Fachpartner für die Sanierung hat. Aus einer rein visuellen Bestandsanalyse vor Ort und der Kenntnis des Gebäudealters ist fast immer ohnehin bekannt, welche thermischen Schwachstellen das Gebäude aufweist, da bringt die Außenthermographie keine wirklich überraschenden Zusatzerkenntnisse.
Halten wir uns dabei vor Augen, dass die gesamte Bestandsanalyse vor Beginn der Planungen kein Selbstzweck ist, sondern dem Ziel dient, sinnvolle Sanierungssmaßnahmen zu definieren.
Sind die Fenster undicht, so sind sie zu tauschen. Ist die Fassade wenig oder nicht gedämmt, ist sie zu dämmen. Dazu braucht es keine Außenthermographie.
Überdies ist bei der Interpretation von Außenthermogrammen zu beachten, dass dieTemperatur der Außenoberflächen verschiedenen Umgebungseinflüssen unterliegt. Die Temperatur der Außenoberfläche schwankt daher - im Gegensatz zur Temperatur der rauminnenseitigen Oberfläche - sehr stark und kann sich sogar fast sekündlich ändern. Die Temperatur der Außenoberfläche ist daher in der Mehrheit der Fälle nicht repräsentiv für die Heizperiode.
Man sollte sich auch dessen bewusst sein, dass mit Hilfe einer Außenthermographie keine unmittelbaren Aussagen über Energieverluste eines Bauteils gemacht werden können, da mit Hilfe einer Thermographie Oberflächentemperaturen gemessen werden und keine Wärmeströme.
Bevor man also sozusagen "schnell mal eine Thermographie" für den Kunden macht oder ihm eine solche für einige hundert Euro empfiehlt, sollte man sich vergegenwärtigen, dass die entsprechenden Kosten in vielen Fällen aus rein technischer Sicht durchaus eingespart werden könnten.
Für eine Außenthermographie ins Treffen führen könnte man höchstens den psychologischen Effekt im Sinne von: "Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte!". Eine bunte Visualisierung des Gebäudezustandes mit Warnfarben könnte KundInnen letzlich dazu motivieren, die Entscheidung zur Sanierung zu treffen.
Fast mit Sicherheit beruhen die entsprechenden Thermographie-Marketingaktionen der letzten Jahre, die vor allem auch von Landesenergieagenturen bzw. Energieversorgern angeboten wurden und werden, auch auf dieser Überlegung.
Gibt es dann überhaupt technisch sinnvolle Einsatzzwecke der Außenthermographie?
Emanuel Panic:
Außenthermographie ist ein geeignetes Mittel, um Aufschluss über die Struktur einer Außenwand bzw. eines Bauteils zu erhalten.
Weiters ist Außenthermographie sinnvoll, um Luftundichtheiten sichtbar zu machen. Dies geschieht durch das Erkennen warmer, aus dem Gebäude austretender Luft.
Teil 2: Einsatzbereiche der Innenthermographie, Zusammenfassung
Kurzbeschreibung: Eine Innenthermographie ist viel aussagekräftiger als eine Außenthermographie, was die Beurteilung thermischer Schwachstellen am Gebäude betrifft: Im Gebäudeinneren können durch Beheizen weitgehend thermisch stabile Temperaturverhältnisse hergestellt werden und überdies sind äußere, verfälschende Wärmestrahlungseinflüsse leichter auszuschließen. Die beiden Einsatzzwecke der Innenthermographie, Ermittlung von Wärmebrücken und von Luftundichtheiten, werden beschrieben. Sinn und Unsinn von Außenthermographie - Teil 2: Einsatzbereiche der Innenthermographie, Zusammenfassung
Eine Alternative zur Außenthermographie ist in vielen Fällen die Innenthermographie. Bei der Innenthermographie werden thermographische Aufnahmen im Gebäudeinneren aufgenommen - fast immer von Außenbauteilen wie der Außenwand, Fenstern oder der Dachinnenseite. Ein Vorteil der Innenthermographie ist, dass physikalische Fehlerquellen leichter beherrschbar sind als bei der Außenthermographie. Im Gebäudeinneren können durch Beheizen weitgehend thermisch stabile Temperaturverhältnisse hergestellt werden. Auch sind äußere, verfälschende Wärmestrahlungseinflüsse leichter auszuschließen.
Emanuel Panic:
Energietechnisch kann die Innenthermographie kann einerseits zur Identifikation von Wärmebrücken, also von unterdurchschnittlich kalten Bauteilbereichen, eingesetzt werden, aber auch zur Lokalisierung von Luftundichtheiten der Gebäudehülle.
Innenthermographie zur Ermittlung von Wärmebrücken bzw. von thermischen Schwachstellen
Die Innenthermographie kann neben der Bestimmung von unzulässigen Wärmebrücken, also lokal unzulässig kühlen Stellen, auch dazu herangezogen werden, um zu beurteilen, ob eine Wand insgesamt thermisch zu schwach gedämmt wurde, oder ob sie z. B. lufthinterströmt ist und damit einen geringeren Dämmwert aufweist als geplant. Dazu ist allerdings zunächst eine Berechnung der Plantemperaturen der Innenoberflächen erforderlich.
Der Thermograph ermittelt die zu erwartende Oberflächentemperatur der Innenseite der Außenwand bei der mittleren gemessenen Außentemperatur rechnerisch aufgrund des bekannten Wandaufbaus. Weicht die gemessene Temperatur dann signifikant von der errechneten Temperatur ab bzw. ergeben sich unerklärliche Unterschiede zwischen verschiedenen Bereichen der thermischen Hülle, ist das ein Hinweis auf Abweichungen der Umsetzung vom vorgegebenen Plan.
Ggf. wurde ein unzureichendes Dämmmaterial eingesetzt, wurde das Material schlecht verarbeitet, wurden geringere Dämmstärken verwendet, wurde das Material durchfeuchtet, usw.
Emanuel Panic:
Innenthermographie zur Ermittlung von Luftundichtheiten
Eine Innenthermographie kann einen Luftdichtheitstest hervorragend ergänzen. Dazu wird im ausreichend lange vorgeheizten Gebäude bei niedrigen Außentemperaturen ein Unterdruck angelegt, sodass kalte Außenluft durch die Undichtheiten nach innen strömt.
Diese kalten Luftströme können mittels Thermographie sehr gut sichtbar gemacht werden, vor allem auch an Stellen, die sonst relativ unzugänglich sind, oder wo herkömmliche Methoden wie das Aufspüren von Luftzügen mit dem Handrücken oder dem Anemometer zu ungenau wären.
Eine Innenthermographie, ein Foto also, ist einfach viel beweiskräftiger als andere Methoden, Luftundichtheiten festzustellen.
Emanuel Panic:
Sinn und Unsinn von Außenthermographie - das Wichtigste zusammengefasst
Eine außenthermographische Aufnahme eines Gebäudes vor einer thermischen Sanierung ist in den meisten Fällen aus rein technischer Sicht überflüssig.
Aus einer rein visuellen Bestandsanalyse vor Ort und der Kenntnis des Gebäudealters ist in der Regel bekannt, welche thermischen Schwachstellen das Gebäude aufweist. Die Außenthermographie bringt also in der Regel keine wirklich überraschenden Zusatzerkenntnisse.
Sinnvolle Anwendungsbereiche der Außenthermograpie liegen hingegen in der Strukturanalyse von Bauteilen und im Sichtbarmachen von Luftundichtheiten.
Die Innenthermographie hat im Vergleich zur Außenthermographie den Vorteil, dass physikalische Fehlerquellen leichter beherrschbar sind. Im Gebäudeinneren können durch Beheizen weitgehend thermisch stabile Temperaturverhältnisse hergestellt werden und äußere, verfälschende Wärmestrahlungseinflüsse sind leichter auszuschließen.
Innenthermographie kann neben der Identifikation von Wärmebrücken auch zur Lokalisierung von Luftundichtheiten der Gebäudehülle eingesetzt werden.
Hilfreiche Quellen
- Anwendungen von Außenthermographie https://vimeo.com/clipit/anwendungaussenthermographie1 Länge: 3.00 Min.
- Nutzen der Thermographie im Bereich der Gebäudesanierung https://vimeo.com/clipit/thermographieundsanierung Länge: 3.13 Min.
- Thermographie und Wärmebrückensuche (Innenthermographie) https://vimeo.com/clipit/thermographiewaermebruckensuche Länge: 4.36 Min.