Teil 1: Der klimatische Trend, die ÖNORM B 8110 Teil 3

Kurzbeschreibung: In Österreich ist eindeutig ein Trend zu mehr Hitzetagen (Tage mit mehr als 30 °C ) feststellbar, sodass die Klimadaten für die relevante ÖNorm B 8110 Teil 3 – seit März 2012 als überarbeitete Version vorliegend – auch in Zukunft wahrscheinlich laufend angepasst werden müssen. Neu ist an der überarbeiteten Version auch ein Verfahren, das den Tagesgang der operativen Temperatur in einem kritischen Innenraum simuliert. Dieses neue Verfahren wird à la longue das noch zugelassene alte vereinfachte Verfahren ablösen. Grundsätzliches Planungsziel ist für Wohngebäude bislang, dass sie ohne jeglichen Einsatz aktiver Kühlung, also ohne Kühlgeräte, auch in der heißen Periode bei behaglichen Innenraumtemperaturen genutzt werden können. Prinzipien des sommertauglichen Planens und Bauens
Eine Serie in vier Teilen
Teil 1: Der klimatische Trend, die ÖNORM B 8110 Teil 3

Christoph Lang:
Also, jeder hat seine negativen Erfahrungen mit sommerlicher Überwärmung. Ist auch dadurch zu begründen, dass das ein massives Kostenthema ist. Wenn man ein großes Gebäude errichtet, und man würde überall Außenverschattung machen, dann kostet das natürlich sehr viel Geld. Die Bauträger sind bestrebt, möglichst wenig Verschattung vorzurichten. Natürlich gibt es einige, die das bis zum Schluss praktizierten, und wo die Nutzer nicht zufrieden waren. Es gibt Beispiele, wo gesamte Gebäude mit Außenverschattung nachgerüstet wurden.
Während energieeffizientes Bauen nach wie vor zumeist auf die Reduzierung des Heizwärmebedarfs und damit auf den Winterfall fokussiert, wird der Sommerfall immer bedeutsamer.
Noch im Gedächtnis ist wahrscheinlich der extreme Sommer des Jahres 2003. In diesem Jahr wurden beispielsweise in Graz 41 Hitzetage, also Tage, in denen die Höchsttemperatur 30 Grad Celsius überschreitet, gezählt.
Im Jahr 2013 wurden Temperaturrekorde gebrochen - nach einer langen Trockenperiode wurde am 8. August 2013 erstmals in Österreich in mehreren Orten im Osten Österreichs die 40 Grad-Marke überschritten.

Nachdem dieser Beitrag in einer ersten Fassung fertiggestellt wurde, folgte der extreme Sommer des Jahres 2015, der den klar erkennbaren Trend zu mehr Hitzetagen bestätigte.
Auf der Homepage der ZAMG, der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, kann man zu diesem Trend lesen:

Vergleicht man die Zeiträume 1961 bis 1990, 1971 bis 2000 und 1981 bis 2010, dann sieht man für alle Landeshauptstädte eine deutliche Zunahme der sogenannten Hitzetage, also Tage mit 30 Grad und mehr. So ist in Wien die durchschnittliche Zahl der Hitzetage von 9,6 auf 15,2 gestiegen, in Innsbruck von 9,0 auf 16,6 und in Klagenfurt von 6,2 auf 13,9.

Und weiter:

Die Klimaforscherinnen und -forscher in Europa sind sich weitgehend einig, dass sich der Trend fortsetzen wird. Denn die meisten Berechnungen der Klimamodelle zeigen eine weitere Zunahme der Hitzeperioden in den nächsten Jahrzehnten.

Und genauer:

Bei der Anzahl der Tropennächte in Österreich ist in den Niederungen des Ostens mit einer Verdreifachung im extremen Emissionsszenario A2 zu rechnen.

Aufgrund des Klimawandels werden also längere Perioden extremer Hitze zunehmen und damit potenziell der Bedarf zur Kühlung von Gebäuden steigen.
Umso bedeutsamer wird es daher, in der Planung auf Prinzipien zur Realisierung sommertauglicher Gebäude Rücksicht zu nehmen.

Der Nachweis der Sommertauglichkeit ist in Österreich in der ÖNorm B 8110 Teil 3 geregelt.
Diese Norm ist auf alle Gebäude oder Räume anzuwenden, die dem dauernden oder vorübergehenden Aufenthalt von Menschen dienen.
Erreicht ist das Ziel der Vermeidung von Überwärmung dann, wenn in Haupträumen tagsüber eine operative Temperatur von 27 °C , in Schlaf- bzw. Ruheräumen in der Nacht von 25 °C bei den jeweils anzunehmenden klimatischen Bedingungen nicht überschritten wird. Das Wichtige dabei ist, dass dieses Ziel bereits ohne jeglichen Einsatz aktiver Kühlung, also ohne Kühlgeräte, erzielt werden soll.
Das gilt zumindest für Wohngebäude. Für Nicht-Wohngebäude gilt gemäß der OIB Richtlinie 6, dass die Vermeidung der sommerlichen Überwärmung entweder gemäß ÖNORM B 8110 Teil 3 nachzuweisen ist, oder es ist ein maximal zulässiger außeninduzierter Kühlbedarf KB Stern bei einem definierten Nutzungsprofil von 1 kWh/m3 a pro m3 Brutto-Volumen einzuhalten.

Die ÖNorm B 8110 Teil 3 liegt seit März 2012 in einer überarbeiteten Version vor.
Neben einem vereinfachten Verfahren, das nur mehr für einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich gültig ist, ist nun mit dieser Norm auch ein Verfahren beschrieben und in den verschiedenen Programmen zur Energieausweisberechnung implementiert, das den Tagesgang der operativen Temperatur an einem definierten kritischen Sommertag simuliert.
Durch diese Simulationsrechnung werden realitätsnähere Berechnungen im Vergleich zum vereinfachten Verfahren möglich. Christoph Lang, Bauphysiker im Büro Schöberl&Pöll, nimmt dazu Stellung:

Christoph Lang:
Meine Erfahrung ist, und die Vergleichsrechnungen haben gezeigt, dass die neue Sommernorm wirklich deutlich strenger ist als die bisherige. Bei der bisherigen ist es durchaus so: Sie können bei einem Gebäude einen Raum für sommertauglich errechnen, und es wird sich in der Praxis zeigen, dass die Temperaturen eigentlich nicht wirklich akzeptabel sind. Also, wenn sich das ganz knapp ausgeht, dann ist es in aller Regel nicht wirklich sinnvoll. Sie müssen bedenken, dass wir in Wien in diesem Sommer Temperaturen bis 38/39 Grad hatten. Da hat es in so einem Raum, der knapp erfüllt ist, auch schon weit über 30 Grad, also nicht wirklich komfortabel. Also, man sollte bei der alten Norm immer schauen, dass man etwas drüber liegt, also dass man bessere Verschattungsmaßnahmen setzt, als sie nach der Berechnung notwendig wären.
Bei der neuen Norm ist es durchaus so streng, dass z.B. innerstädtisch, es wird durchaus berücksichtigt, wo das liegt, also in Wien ist es ja die Realität, dass einfach viel mehr Speichermasse vorhanden ist, und dass in Wien die Temperaturen nicht so runter gehen, wir haben sehr viele Tropennächte in Wien. Da kommt vielfach heraus, dass sie Außenverschattung brauchen. Und das ist etwas, was sich sehr gut mit der Erfahrung deckt.
In diesem Zitat von Christoph Lang ist mit "alter Norm" das vereinfachte Verfahren und mit "neuer Norm" die Simulation des Tagesgangs der operativen Temperatur an einem definierten Sommertag gemeint.
Wir möchten darauf hinweisen, dass es in der Reihe EnergieAudioAkademie ein eigenes Audiofile gibt, das sich mit Details der ÖNorm B 8110 Teil 3 auseinandersetzt.

Teil 2: Planerische Einflussmöglichkeiten auf die Sommertauglichkeit von Gebäuden, Bedeutung von Speichermassen und Wärmedämmung

Kurzbeschreibung: Karl Lummerstorfer und Wolfgang Feist bringen die wichtigsten bautechnischen kritischen Stellen zur Vermeidung sommerlicher Überwärmung auf den Punkt: Fensterflächen, Wärmeschutz und Speichermassen. Prinzipien des sommertauglichen Planens und Bauens - Teil 2: Planerische Einflussmöglichkeiten auf die Sommertauglichkeit von Gebäuden, Bedeutung von Speichermassen und Wärmedämmung

Wie kann also nun sichergestellt werden, dass Gebäude im Sommer ein möglichst angenehmes Innenraumklima aufweisen?
Auf einige Einflussfaktoren kann - insbesondere bei Neubauten - planerisch Einfluss genommen werden, dazu zählen die Orientierung des Baukörpers, Anordnung und Größe der Fenster, Vorsehen eines adäquaten Sonnenschutzes, ausreichender Wärmeschutz und ausreichende Speichermassen. Andere Einflussfaktoren liegen im Einflussbereich der Gebäudenutzer. Dazu zählen die Verwendung möglichst energieeffizenter Geräte zur Reduktion der inneren Lasten oder das Lüften während der Nachtstunden.
Der Energieberater Karl Lummerstorfer fasst die wichtigsten planerischen Maßnahmen zusammen:

Karl Lummerstorfer:
Prinzipiell ist es schlau, in der Planungsphase alle Fehler zu vermeiden. Ob man einen Nachweis macht oder nicht - bei Wohngebäuden ist davon auszugehen, dass bei unseren aktuellen klimatischen Bedingungen es ausreichend sein muss, dass sie sommertauglich sind, dass ich ohne zusätzliche Kühlung / Klimatisierung das Auslangen finden kann. Was sind wichtige Punkte, die für die Planung heran gezogen werden sollen? 1.) Der 1.kritischste Punkt sind die Fenster! Wie groß sind die Fensterflächen, wie sind sie orientiert, wie sind sie geneigt, welche Qualität der Verglasung hat man? Und, wenn man Fensterflächen hat, welche Sonnenschutzmöglichkeiten hat man durch Eigenverschattung des Gebäudes? Bei rein senkrecht südseitig orientierten Fenstern ist es einfach geometrisch zu verschatten durch einen Dachvorsprung. Bei allen Ausrichtungen, die weg sind von der Südseite, West-Ost, wird es gefährlicher in Richtung Eigenverschattungsmöglichkeiten, weil da kann das Dach nicht lange genug sein. Bei der Morgensonne bzw. Abendsonne im Westen. D.h. Fensterausrichtung, Qualität, Verschattungsmöglichkeit. Das sind die kritischsten Punkte betreffend sommerliche Überwärmung.

2.) Speicherwirksame Massen, Speichermöglichkeiten, die hilfreich sein können, eine Überwärmung zumindest etwas abzumindern.

3.) Wärmeschutz: Je besser die thermische Qualität der Hülle, desto weniger Einträge über die opaken Bauteile. Hier 2 Phänomene vom Durchwirken, von außen aufgebrachten Temperaturamplituden, mittags sehr heiß, nachts kälter. Außen auf Bauteile entsprechende Amplituden. Bei guter thermischer Qualität kommt diese Amplitude sehr stark abgeschwächt durch. D.h. ich habe weniger starken Durchschlag dieser Temperaturspitzen. Wenn ich auch noch passende Speichermassen habe, habe ich entsprechende Phasenverschiebung und damit Verzögerung. Das Optimum wäre, wenn die Tagesspitze erst zur Nachtstunde durchschlagen würde, wo es draußen wieder kälter ist. Also Wärmeschutz ist bei den opaken Bauteilen ist eine sehr wichtige Voraussetzung für das Einhalten auch der entsprechenden Sommertauglichkeit. Das betrifft v.a. große Flachdachflächen und ähnliche Bauteile.



Die Bedeutung der Speichermassen in Zusammenhang mit sommerlicher Überwärmung wird tendenziell im Vergleich zu den anderen planerischen Maßnahmen zu hoch eingeschätzt.
Dazu Wolfgang Feist, Professor an der Universität Innsbruck und Leiter des Passivhausinstituts in Darmstadt, anhand des Beispiels eines sehr gut gedämmten Passivhauses mit vergleichsweise geringer thermischer Masse:

Univ. Prof. Dr. Wolfgang Feist:
Das Interessante ist, dass die Technologien, die Heizwärme einsparen, auch dieselben Technologien sind, die mir bei der Reduzierung des Kühlbedarfs helfen.
Also eine gute Wärmedämmung auf der Außenseite des Gebäudes hilft mir, Wärme, die sonst von außen eingetragen wird, gerade in den Perioden, in denen es dauerhaft heiß ist, draußen zu halten. Und genau das passiert auch in der Praxis, ich war letzte Woche in einem der ersten in Österreich realisierten Passivhäuser, das jetzt schon 16 Jahre lang steht. Wir waren dort genau in der Hitzeperiode, wo es überall sonst eigentlich unerträglich war, und dort drinnen war es angenehm kühl. Und das Gebäude steht in einem ziemlichen Widerspruch zu dem, was sonst immer gepredigt wird, zur Frage, wie halte ich ein Gebäude kühl. Es ist ein Holzhaus mit vergleichsweise geringer thermischer Masse, es ist sogar ein eingeschoßiges Gebäude, und dennoch hat es durch den guten Wärmeschutz des Passivhauses, durch die qualitativ sehr hochwertigen Fenster, und durch die Lüftung mit der Wärmerückgewinnung, die in diesem Fall auch Kühle zurückbringt, ein ausgesprochen angenehmes kühles Innenklima in dieser Zeit.
Voraussetzung dafür, dass eine sehr gute Wärmedämmung tatsächlich zu einem sommertauglicheren Gebäude führt, ist allerdings, dass sich das Gebäude nicht zu sehr aufgrund zu hoher solarer Einträge über die Fenster und zu hoher innerer Lasten (durch Geräte und Personen) aufheizt. Denn sobald sich das Gebäude einmal auf eine unangenehm hohe Innentemperatur erwärmt hat, sorgt eine gute Wärmedämmung dafür, dass diese Wärme über Transmission über die Außenbauteile in den kühleren Nachtstunden im Vergleich zu einem schlecht gedämmten Gebäude langsamer abgegeben wird.
Es kommt also auf ein optimiertes Zusammenspiel der einzelnen Maßnahmen, auf die Gesamtkonzeption des Gebäudes an, um ein möglichst sommertaugliches Gebäude zu erreichen.

Eine Maßnahme wie Wärmedämmung, die zu einem reduzierten Heizwärmebedarf beiträgt, hilft also auch in der Realisierung eines angenehmen Innenraumklimas im Sommer. Besondere Vorsicht bzw. Sorgfalt ist allerdings bei der Planung der Fenster anzuwenden - hier sollte eine ausgewogene Optimierung zwischen Winter- und Sommerfall erfolgen, wie Wolfgang Feist betont:

Univ. Prof. Dr. Wolfgang Feist:
Die Maßnahmen, die uns helfen, Wärme zu sparen, helfen uns im allgemeinen auch bei der Kühlung. Wobei es gibt da natürlich Ausnahmen, zum Beispiel die größeren Fensterflächen, die helfen mir im Winter, weil sie Wärme hereinbringen, aber im Sommer im Gegenteil, da führen sie möglicherweise zur Übererwärmung. Ich muss in Bezug auf diese Frage der Fenster sorgfältig planen bezüglich Größe und Orientierung und deswegen muss man für die Planung energieeffizienter Gebäude ein zielorientiertes Planungstool verwenden. D.h. ich muss tatsächlich vorher ausrechnen, was brauch ich an Heizleistung, was brauch ich an Kühlung, kann ich möglicherweise die Kühlung ganz vermeiden, in Abhängigkeit von der Größe der Fenster und der Art der Verschattung. So etwas können gute Tools heute ohne weiteres leisten, sodass sie beide Zielsetzungen, Sommer und Winter bei der Planung im Auge behalten können.
Ein Tool, das sich für eine optimierte Planung des Winter- und Sommerfalls eignet, ist übrigens das vom Passivhausinstitut in Darmstadt unter der Regie von Wolfgang Feist entwickelte Passivhausprojektierungspaket, abgekürzt PHPP.

Teil 3: Planerische Einflussmöglichkeiten auf die Sommertauglichkeit von Gebäuden, Bedeutung von Nachtlüftung und Sonnenschutz

Kurzbeschreibung: Bei der Nachtlüftung kann bei Wohngebäuden eine Lüftungsanlage lediglich leicht unterstützen, der Hauptanteil der Kühlung durch Nachtlüftung muss aber durch geöffnete Fenster erreicht werden. Die Abschattungsmöglichkeiten Vordach, Klappläden, Raffstore und Markise werden besprochen. Kritisch sind West- und Ostfenster, hier sind vertikale Abschattungsmaßnahmen unerlässlich. Raffstorekästen kann man auch vorsichtshalber vorsehen, ohne sie vorerst zu bestücken. Prinzipien des sommertauglichen Planens und Bauens - Teil 3: Planerische Einflussmöglichkeiten auf die Sommertauglichkeit von Gebäuden, Bedeutung von Nachtlüftung und Sonnenschutz

Während es bei hohen Außentemperaturen empfehlenswert ist, untertags möglichst wenig, d.h. nur im hygienisch notwendigen Ausmaß, zu lüften, kann durch Nachtlüftung zur Gebäudekühlung beigetragen werden. Wenn Nachtlüftung über Fenster nicht möglich oder erwünscht ist, könnte auch mit Hilfe einer Lüftungsanlage die Raumtemperatur beeinflusst werden.
Dazu Karl Lummerstorfer:

Karl Lummerstorfer:
Nächster Punkt für die Planung: Lüftung
Querlüftung, Nachtlüftung, Fenster öffnen, wie vorher angesprochen, um eben auch Nachtspülungen zu ermöglichen.
Wenn es im Raum schon sehr warm ist, aber nachts kühlere Außentemperatur hat, kann ich nachts durch Öffnen, durch eine so genannte Nachtspülung/Nachtlüftung, wieder am nächsten Tag auf einem etwas niedrigeren Temperaturlevel in der Früh anfangen, dass dann, wenn es sich wieder aufschaukelt, nicht ganz so hoch oben ankommt. Also, auch da kann eine Unterstützung erfolgen. Das kann aber nicht nur durch Fensteröffnung passieren, Fenster öffnen mit all den Einschränkungen - Wetterschutz, Einbruchschutz und andere Rahmenbedingungen, die ermöglichen, dass man alle Fenster auf hat.
Dann gibt es die Möglichkeit, das mit Lüftungsanlagen zu unterstützen. Eine Nachtspülung/-lüftung machen, indem ich mit einer mechanischen Lüftungsanlage mehr an Luftwechselraten realisiere. Dort ist es zumindest sinnvoll, darauf zu achten (nicht so sehr Thema für den Baumeister, aber für den Anlagenplaner für die Lüftungsanlage), dass für diese Nachtspülung im Sommer eine Wärmerückgewinnung umgangen werden kann - Sommerbypass der Wärmerückgewinnung.
Welchen Einfluss das Durchführen von Nachtlüftung über Fenster auf das Verhalten der Innenraumtemperaturen hat, kann mit dem nun in der ÖNORM B8118 Teil 3 beschriebenen detaillierten Verfahren simuliert werden. Dazu Thomas Bednar, Professor für Bauphysik an der TU Wien:

Univ.-Prof. Thomas Bednar:
Für das detaillierte Verfahren muss man den Standort definieren und gesagt haben, ob die Fenster gekippt oder geöffnet werden können. Und welche Nutzung man tatsächlich in dem Raum hat. Mit diesen 3 kleinen zusätzlichen Eingaben mehr kommt dann nach einigen Sekunden ein Temperaturverlauf heraus. Diese 3 Eingaben sind wichtiger Teil der Besprechung zwischen Bauherr und Planer. Zu oft, besonders bei Einfamilienhäusern, reden Planer nicht mit Bauherrn darüber, wie Haus im Sommer genützt werden kann. Wird im EG Fenster gekippt oder geöffnet, wie ist Durchströmung möglich? Wie schätzen die BewohnerInnen die Sicherheitssituation ein? Werden sie die Fenster öffnen? Haben sie Gitter, Alarmanlage, scharfen Hund? Da legt Bauherr Sommernutzung fest, dann macht der Planer 3 Klicks im Softwaretool. Dann Rückmeldung an Bauherrn, wenn er es im Sommer so nützt wie geplant, dann angenehm oder unerträglich heiß. Daraufhin Diskussion und weitere Planung, Maßnahmen, Sonnenschutz oder nicht usw.
Der Einfluss von mechanischen Lüftungsanlagen zur Erreichung angenehmer sommerlicher Raumtemperaturen ist zwar gegeben, dieser Einfluss ist aber sehr begrenzt, und sollte daher nicht überschätzt werden. Dazu Wolfgang Leitzinger, Planer von Lüftungsanlagen und Mitinitiator der Plattform komfortlüftung.at:

Ing. Wolfgang Leitzinger:
In der Nacht ist natürlich die Anforderung, dass man störungsfrei schlafen sollte. Dann ist man auch begrenzt durch Größe und Querschnitte des Gerätes. D.h. Luftmenge bestenfalls 150% erhöhbar gegenüber dem normalen hygienischen Bedarf. D.h. vielleicht 250 m3/Std. für eine Wohnung, das ist ca. Luftwechsel 0,8. Für wirklich wirksame sommerliche Abkühlung/Nachtlüftung braucht es aber zumindest Luftwechsel von 2-3. Ideal wäre 4-5-facher Luftwechsel, wo man noch entsprechend das Bauwerk abkühlen kann. Mit so geringem Luftwechsel von knapp unter 1 wird man nur sehr geringe Wirkung erzielen.

Im Büro sind höhere Luftmengen möglich, man muss dann aber auch die Querschnitte anpassen, also vergrößern, weil Luftwiderstand im Rohrleitungsnetz und auch im Gerät steigt quadratisch mit der Luftgeschwindigkeit. D.h. es wird dann auch mehr Strom benötigt. Wir sind von den Möglichkeiten, die wir in der Außenluft vorfinden, auch sehr begrenzt. D.h. in dicht verbautem Gebiet mit schlechtem Kleinklima, wo es auch in der Nacht nicht stark abkühlt, werden auch keine entsprechenden Kühlleistungen möglich.
Wie wir bereits gehört haben, ist insbesondere für west- und ostseitig gelegene Fenster ein adäquater Sonnenschutz essentiell, er ist aber auch für anders orientierte Fenster zu empfehlen.

Welche Arten von Sonnenschutz gibt es, was ist bei der Auswahl des Sonnenschutzes zu beachten, wie stellt sich die preisliche Situation dar?
Dazu zunächst der Energieberater Gerhard Los und danach der Bauphysiker Christoph Lang:

Ing. Gerhard Los:
Bei einer nach Süden orientierten Glasfront kann ich durchaus mit einer Markise, einem Balkon oder einem Vordach abschatten. Aber die Ost- und die Westrichtung muss ich mit einem senkrechten Sonnenschutz versehen, weil die Sonne am Nachmittag oder in der Früh entsprechend tiefer steht und flach hineinkommt und damit weit ins Haus hineinkommt und damit die Überhitzung garantiert ist, wenn ich nur mit einem Vorsprung arbeiten würde.

Ein Raffstore hat den Vorteil, dass ich die Sonneneinstrahlung unterbindsce, d.h. ich habe keine Wärmegewinne drinnen, aber gleichzeitig noch Sichtkontakt nach draußen und Tageslicht drinnen. Mittlerweile gibt es Systeme, die schon entsprechend vorgesehen sind, dass sie reflektierend sind, dass sie das Tageslicht reinbringen, aber den Sonnenschutz trotzdem gewährleisten können. Bei einem Rolladen, der ist natürlich der bessere Einbruchsschutz, wenn er zu ist, ist es natürlich drinnen gerade so hell, dass ich nicht gegen den Tisch laufe.
Christoph Lang:
Relativ günstig sind alle Außenverschattungen, die aus Stoffen hergestellt werden, also Stoffen unter Anführungszeichen. Das sind natürlich vergleichsweise reißfeste Textilien oder Spezialtextilien. Aber die sind vergleichsweise relativ günstig, weil die dafür notwendigen Sonnenschutzkästen sehr klein sind. Also, dünnes Material, wenig Platzbedarf.
Das Teuerste ist ein Raffstore, hat in aller Regel eine Schienenführung, das kostet schon mal was. Der Kasten kann bis zu 28-30 cm hoch werden, bei händischer Steuerung immer 2-3 cm mehr. Das ist schon Platzbedarf, kostet Geld, ist natürlich auch Material.
Dann gibt's natürlich auch die Variante Rolladen. Kann von bis gehen. Kann vergleichsweise günstig sein, aber es gibt auch Panzerrolläden, die sicher das High End Produkt sind. Mit Einbruchschutz und allem drum und dran.
Auch Klappladen sind eine Variante für außenliegenden Sonnenschutz.

Christoph Lang:
Also, auch Klappläden sind in der Architektur interessanterweise wieder im Kommen. Ich hatte jetzt unlängst ein Bauvorhaben, wo Klappläden gewünscht waren. Normalerweise kennt man das ja so, dass ein Klappladen bei schlechtem Wetter zugemacht wird. Also, wenn Sturm kommt, oder im Winter, wenn es nicht benutzt war, oder wenn man nicht da war, hat man klassischerweise den Klappladen zugemacht. Im modernen Haus ist das anders. Klappläden müssen dann bei einer gewissen Geschwindigkeit geöffnet werden. Also, das hat sich durchaus geändert. Hängt mit den Strukturen zusammen, hängt mit der Konstruktionsart dieser modernen Klappläden zusammen.
Sprecher 1 / 2:
Das Einplanen von Sicherheiten und das das Ermöglichen einer eventuellen späteren Nachrüstung von Verschattungseinrichtungen ist sinnvoll.

Christoph Lang:
Dass man einerseits exakt errechnet, was die Baunorm fordert. Das ist man dem Bauherrn schuldig, dass er die Mindestanforderung kennt. Aber gleichzeitig gibt es dann Empfehlungen oder auch dringende Empfehlungen, je nachdem wie knapp das Ergebnis ist, und wenn das ein Bauherr wünscht, dann kann man durchaus auch Jalousiekästen vorsehen, die einstweilen nicht bestückt sind, aber wo man die Verschattung nachrüsten kann, wenn sich der Nutzer die Behaglichkeit und niedrige Temperaturen im Sommer wünscht. Das ist eine sehr praktikable und aus meiner Sicht sehr empfehlenswerte Vorgehensweise.

Teil 4: Technologien für die Raumkühlung, Zusammenfassung

Kurzbeschreibung: Die Notwendigkeit, aktiv zu kühlen, ist manchmal trotz Ausschöpfen aller Vermeidungsmaßnahmen nicht zu umgehen. Dann sollte wenigstens möglich energieeffizient gekühlt werden. Eine Maßnahme dazu ist die Nutzung von Wasservorkommen, insbesondere von Grundwasser über Wärmepumpen oder durch "Free Cooling". Eine Wärmepumpe kann auch genutzt werden, um Wärme in das Erdreich abzuführen. Als Wärmepufferspeicher können auch schwere Bauteile des Gebäudes über die "Bauteilaktivierung" genutzt werden. Prinzipien des sommertauglichen Planens und Bauens - Teil 4: Technologien für die Raumkühlung, Zusammenfassung

Sprecher 1 / 2:
Wenn auch trotz sorgfältiger Planung ein Kühlbedarf entsteht, weil beispielsweise hohe innere Lasten vorhanden sind wie bei Büros oder aufgrund ungünstiger klimatischer Bedingungen, mit welchen Technologien sollte aktiv gekühlt werden? Wie beim Heizen geht es auch beim Kühlen zunächst darum, den Bedarf möglichst gering zu halten, bevor eine konkrete Technologie zur Raumkühlung gewählt wird.
Dazu Wolfgang Feist:

Univ. Prof. Dr. Wolfgang Feist:
Wir sehen auf der anderen Seite, dass es nicht in allen Fällen möglich sein wird - das sehen wir heute schon in Ländern, die eben nicht in Mitteleuropa sind, sondern Länder wie Indien oder Indonesien, da können Sie den angenehmen kühlen Komfort im Inneren eines Gebäudes nicht ohne aktive Kühlung bereitstellen, das geht wirklich nicht, das heißt, ich brauche dort in einem gewissen Ausmaß eine aktive Kühlung. Nun ist das so ähnlich wie beim Passivhaus, das heißt die Null ist nicht unbedingt das, was wir anstreben müssen, es kann durchaus in einem kleinen Ausmaß Kühlenergie gebraucht werden, wie viel ist dann wieder die Frage, und es kann ebenfalls so wenig sein, dass es kaum ein Aufwand ist. Heute können Sie gerade Kompressionskühlgeräte mit ganz kleinen Leistungen und zu sehr günstigen Preisen bereits realisieren, also dass man mit einem sehr geringen Energieaufwand auskommen kann.
Vor dem Einsatz von Kompressionskältemaschinen sollten andere Optionen überlegt werden, meint Karl Lummerstorfer.

Karl Lummerstorfer:
Im Fall der Lastvermeidung in Räumen oder des Lastabtransports aus Räumen, wo entsprechend äußere und innere Lasten einwirken, wird sinnvollerweise zu sehen sein: Wie kann man einen möglichst geringen Energieeinsatz realisieren?
Und da ist immer die erste Frage: Gibt es Wasser (Grundwasser), das ich dafür verwenden kann, um Wärme abtransportieren zu können? Weil dort sind natürlich die laufenden Folgekosten beschränkt auf das Pumpen von Wasser und allfällige Wartung der Anlagen. Aber nicht für den Betrieb einer Kompressionskältemaschine, die ja der Standardfall in den Kühlanwendungen ist.
Zweite Option könnte dann sein: Gibt es in dem Objekt überschüssige Wärme auf entsprechendem Temperaturniveau? Dass ich dann Absorptionskältemaschinen z.B. verwenden kann, dass ich mit Wärme kühle. In dieses Thema fällt auch solare Kühlung hinein. Habe ich ohnehin eine Solaranlage, die zu diesen Überschusszeiten entsprechend Hochtemperaturniveaus zur Verfügung stellt, dass ich dann auch wieder Wärmeabtransport realisieren kann? Das sind dann Fragestellungen, die sich dann daran knüpfen können.
Aber, meiner Meinung nach, 1. Wahl ist Wasser: Grundwasser, Oberflächenwasser ist meist nicht konsensfähig oder sehr schwer im Sinn eines wasserrechtlichen Konsenses möglich. 2. Wahl: Gibt es irgendwo Überschusswärmen, die möglicherweise dafür verwendbar wären, zu kühlen. 3. Wahl: Klassische Technik Kompressionskältemaschinen. Standardanwendungsfall ist anders: Kühlung, da braucht man Kompressionskältemaschinen.
Neben der Wärmeabfuhr über Wasser können auch die niedrigeren Temperaturen des Erdreichs über Flächenkollektoren oder Tiefensonden zur Kühlung genutzt werden. Der Kompressionskältekompress kann dann mit einer - vielleicht schon bestehenden Wärmepumpe - realisiert werden, der Strombedarf für den Betrieb der Wärmepumpe könnte aus einer Photovoltaikanlage stammen.
Die Wärmeabfuhr aus dem Raum kann konvektiv oder über Bauteilflächen, was auch als Bauteilaktivierung bezeichnet wird, erfolgen. Die konvektive Wärmeabfuhr ist in der Regel mit größeren Kühlleistungen verbunden. Bei der Wärmeabfuhr über Bauteilflächen ist zu beachten, dass an den zur Kühlung genutzten Bauteilen nicht die Taupunkttemperatur unterschritten wird, was auch die Kühlleistung begrenzt.
Christoph Lang zur Option der Bauteilaktivierung:

Christoph Lang:
Leider ist zu beobachten, dass gerade auch Dachgeschossausbauten, oder ganz grundsätzlich der Baustandard in Österreich dahin geht, dass die Fensterflächen immer größer werden, und dadurch auch der Kühlbedarf größer wird. Das führt dazu, dass ganz klassische Split-Klimageräte vorgerichtet werden, oder dass zumindest der Anschluss dafür vorgesehen wird. Das sind natürlich Energiefresser, das ist bekannt. Empfehlenswert sind z.B. Bauteilaktivierungen. Wir haben durchaus auch Bauvorhaben realisiert, wo wir z.B. die Dachgeschosse, die besonders exponiert waren, also wo große Fensterflächen waren, und wo im Prinzip den ganzen Tag die Sonne einstrahlt, mit einer Bauteilaktivierung in der Decke ausgestattet haben. Das ist durchaus sehr empfehlenswert. Auch das Monitoring dazu war sehr positiv.
Wie funktioniert eine Bauteilaktivierung?

Christoph Lang:
Ganz ähnlich zu sehen wie Fußbodenheizung. In die Stahlbetondecke werden Plastikschläuche eingelegt, wo dann auch wechselweise geheizt werden kann. Also geheizt oder gekühlt. Kaltes oder warmes Medium wird durchgeleitet. Dadurch wird eine Temperierung erzielt. Man kann es nicht mit einer wirklichen Kühlung vergleichen, diese Systeme werden nie die Leistung erreichen, oder zumindest am jetzigen Stand der Technik erreichen sie nicht die Leistung wie ein Splitgerät, weil ganz andere Energien damit verbunden sind. Aber von einer Temperierung, 1-2 Grad Kühlung, kann man durchaus reden. Was auch schon ein großer Komfortgewinn ist. Das mit relativ wenig Energieeinsatz.
Sommertaugliches Planen und Bauen - das Wichtigste zusammengefasst

Es gibt einen klar erkennbaren Trend zu mehr Hitzetagen und zu längeren Hitzeperioden. Dieser Trend wird sich aller Voraussicht nach in Zukunft fortsetzen.

Der Nachweis der Sommertauglichkeit ist in Österreich in der ÖNorm B 8110 Teil 3 geregelt. Diese ÖNorm liegt seit März 2012 in einer überarbeiteten Version vor. Neben einem vereinfachten Verfahren gibt es nun auch ein detailliertes Verfahren, das den Tagesgang der operativen Temperatur an einem definierten kritischen Sommertag simuliert und mit Hilfe dessen realitätsnähere Berechnungen möglich sind.

Die wesentlichen Einflussfaktoren zur Erreichung eines angenehmen Sommerkomforts in Gebäuden, auf die planerisch Einfluss genommen werden kann, sind die Orientierung des Baukörpers, Anordnung und Größe der Fenster, Vorsehen eines adäquaten Sonnenschutzes, ausreichender Wärmeschutz und ausreichende Speichermassen.
Es kommt auf ein optimiertes Zusammenspiel der einzelnen Maßnahmen, auf die Gesamtkonzeption des Gebäudes an, um ein möglichst sommertaugliches Gebäude zu erreichen.
Besondere Vorsicht sollte bei der Planung der Fenster angewandt werden - hier sollte eine ausgewogene Optimierung zwischen Winter- und Sommerfall erfolgen. Bei Fenstern auf der West- und Ostseite bzw. sobald die Ausrichtung eines Fenster mehr als 30 Grad von der Südorientierung abweicht, sollte ein außenliegender Sonnenschutz vorgesehen werden.

Um auf Nummer sicher bei sich rasch ändernden klimatischen Bedingungen zu gehen, ist sogar das Vorsehen eines außenliegenden Sonnenschutzes bei allen Fenstern, unabhängig von der Orientierung, zu empfehlen. Wir weisen in diesem Zusammenhang auf das File "Sensitivitätsanalyse Sommertauglichkeit" hin - hier wird die Wirkung verschiedener Einflussfaktoren auf das sommerliche Verhalten von Gebäuden näher untersucht.

Falls eine aktive Kühlung auch bei sorgfältiger Planung sich nicht vermeiden lässt, gibt es verschiedene Optionen, einen möglichst minimierten Kühlbedarf zu decken. Eine interessante Option mit relativ geringem Energiebedarf ist die Bauteilaktivierung, also Kühlung über Bauteilflächen.

Hilfreiche Quellen

  1. Österreichisches Normungsinstitut. ÖNORM B 8110-3, Wärmeschutz im Hochbau - Teil 3: Vermeidung sommerlicher Überwärmung. 15. März 2012. url: https://shop.austrian-standards.at/action/de/public/details/419971/OENORM_B_8110-3_2012_03_15
  2. Außenliegender Sonnenschutz – Varianten, Wärmebrückenfreiheit, Luftdichtheit https://vimeo.com/clipit/aussenliegendersonnenschutz Länge: 8.13 Min.
  3. Sommertaugliches Planen und Bauen – Das Prinzip Vermeidung https://vimeo.com/clipit/sommertauglichkeitClip1 Länge: 3.18 Min.
  4. Die novellierte Sommertauglichkeitsnorm
  5. Sensitivitätsanalyse Sommertauglichkeit